OLG Hamm: Ehevertrag bei Globalverzicht nicht zwangsläufig sittenwidrig

Allein aus einem Globalverzicht folgt auch bei einem objektiv offensichtlichen Ungleichgewicht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht zwangsläufig die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages, wenn ein Fall gestörter Vertragsparität nicht vorliegt.

Die Parteien haben in dem notariellen Ehevertrag vom 10.04.1995 auf die wesentlichen Scheidungsfolgen verzichtet, indem sie nahezu sämtliche Unterhaltsansprüche, die güterrechtlichen Folgen sowie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben. Der hierin liegende Globalverzicht kann grundsätzlich zu einer einseitigen und evidenten Lastenverteilung führen, insbesondere dann, wenn der Verzicht kompensationslos erfolgt. Für die rechtliche Beurteilung der Vereinbarung ist aufgrund der gebotenen Ausrichtung am Kernberreich der Scheidungsfolgen für deren Disponibilität die Rangabstufung zu beachten, die sich vorrangig danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lebenssituation haben.

Im vorliegenden Fall führt allein der vereinbarte Globalverzicht noch nicht dazu, dass der Ehevertrag nichtig wäre. Es liegt zwar hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten objektiv ein offensichtliches Ungleichgewicht vor. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig die Sittenwidrigkeit des Vertrages:

Der Inhalt des Ehevertrages ist nicht sittenwidrig gemäß § 138 BGB:

Die zwischen den Parteien vereinbarte Gütertrennung und der damit verbundene Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft unterliegt keinen Wirksamkeitsbedenken, weil die vermögensrechtlichen Folgen in weitgehendem Umfang einer vertraglichen Regelung zugänglich sind. Der Zugewinnausgleich wird vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht erfasst. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass hier der Antragsteller als Arzt selbständig tätig ist. Er hat ein berechtigtes Interesse an der Erhatlung der wirtschaftlichen Substanz seiner Erwerbsgrundlage, die durch zugewinnausgleichsbedingte Ausgleichszahlungen im Fall des Scheiterns der Ehe gefährdet werden kann (s. dazu auch BGH Urteil vom 28.03.2007, XII ZR 130/04, NJW 2007, S. 2851).

Der zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählende Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB ist im vorliegenden Fall nicht betroffen, da die Ehe kinderlos geblieben ist. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Parteien schon vor der Eheschließung eine Kinderlosigkeit ihrer Ehe wirksam bereinbart haben, denn es ist in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass die Nichtigkeit nicht aus einer Bestimmung hergelteitet werden kann, die bei der Vetragsduchführung ohne Bedeutung geblieben ist (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 28.01.2010, 1 UF 150/09, NJW-RR 2010, S. 649 ff).

Der Ausschluss des Anspruchs auf  Alters- und Krankenunterhalt gemäß §§ 1571, 17572 BGB ist wirksam. Zwar kommt beiden Tatbeständen als Ausdruck der nachehelichen Solidarität besondere Bedeutung zu. Jedoch hatte die Antragsgegnerin bei Eheschließung und Vertragsabschluss aufgrund ihrer seit 10 Jahren bestehenden Beamtenstellung zumindest die Sicherheit einer Grundversorgung, so dass auch dem Ausschluss des Altersunterhalts hier ein geringer Wert zukommt. Die Antragsgegnerin war bei Eheschließung gesund und in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht eingeschränkt. Anhaltspunkte dafür, dass sie bedürftig werden könnte, waren und sind nicht ersichtlich. Die Ehepartner können die Ansprüche auf Alters- und Krankenunterhalt insbesondere dann ausschließen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar ist, ob, und wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ein Ehegatte unterhaltsbedürftig werden kann (vgl. OLG Celle, Urteil vom 27.05.2009, 15 UF 4/09, NJW-RR 2009, S. 1302).

Im Hinblick auf die Beamtenstellung der Antragsgegnerin kommt dem Verzicht auf den Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit (§1573 Absatz 1 BGB) geringe Bedeutung zu, da sie über einen nachhaltig gesicherten Arbeitsplatz verfügt.

Schließlich führt der Verzicht auf Ansprüche wegen Aufstockungs- und Billigkeitsunterhalt gemäß § 1573 Absatz 2, 1576 BGB nicht zu einer Sittenwidrigkeit des notariellen Vertrages. Diese Unterhaltsansprüche sind vom Gesetz am schwächsten ausgestaltet und sind nicht nur der Höhe sondern auch dem Grunde nach zeitlich begrenzbar. Aufgrund ihrer Bedeutung im System des Scheidungsfolgenrechts erscheinen sie am ehesten verzichtbar.

Auch der Aussschluss des Versorgungsausleichs ist nicht sittenwidrig. Zwar unterliegen diesbezügliche Vereinbarungen besonders strengen Kriterien, weil der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt auf der gleichen Stufe wie der Altersunterhalt rangiert und der vertraglichen Disposition zur Verfügung steht. Als Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen ist der Versorgungsausgleich andererseits aber auch dem Zugewinnausgleich verwandt, so dass - jedenfalls bei deutlich gehobenen Vermögensverhältnissen - eine weitergehende Dispositionsbefugnis gerechtfertigt sein mag. Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall auch, dass die Antragsgegnerin als Beamtin über einen sicheren Arbeitsplatz und damit einhergehend über eine gesicherte Altersversorgung verfügte. Dass diese möglicherweise geringer ausfällt als die Altersversorgung des Antragstellers führt noch nicht zur Nichtigkeit des vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs, zumal der Verzicht im Fall des Scheiterns der Ehe durch einmalige Zahlung in Höhe von 30.000,00 DM und die zugugnsten der Antragsgegnerin abgeschlossene Lebensversicherung abgemildert wurde. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob diese Leistungen den Verzicht insgesamt ausreichend kompensieren, eine Sittenwidrigkeit läßt sich hieraus indessen nicht herleiten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar war, dass und in welcher Höhe der Antragsteller gegebenenfalls verpflichtet sein würde, Versorgungsanwartschaften auf die Antragsgegnerin zu übertragen. Dass die zugunsten der Antragsgegnerin abgeschlossene Lebensversicherung nach der Aheschließung im Jahr 1999 ruhend gestellt worden ist, ist für die Beurteilung und Gesamtabwägung aller Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unerheblich.

Dagegen ist die Beschränkung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt auf einen Betrag von 1.000,00 DM monatlich unwirksam. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß §§ 1361 Absatz 4, Satz 4, 1360 a Absatz 3, 1614 BGB ist - auch in Teilbereichen - unverzichtbar. Seine Beschränkung ist gemäß § 134 BGB nichtig. Diese Teilnichtigkeit führt indes nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Die Nichtigkeit einzelner Regelungen erfasst zwar gemäß § 139 BGB in der Regel den gesamten Ehevertrag. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Vertrag auch ohne die nichtige Klausel zustande gekommen wäre. Das kann sich insbesondere aus einer salvatorischen Klausel ergeben, so wie sie auch im vorliegenden Fall in den Vertrag aufgenommen worden ist. Im übrigen sind nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien durch den Senat und auch aufgrund der Vernehmung der Zeugen H und I keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Ehevertrag bei Kenntnis der unwirksamen Regelung zum Trennungsunterhalt nicht geschlossen worden wäre. Vielmehr hat der Zeuge I bekundet, dass er vor der Beurkundung noch darauf hingewirkt habe, dass die ursprünglich vorgesehene Regelung zum Trennungsunterhalt zugungsten der Ehefrau abgeändert wurde. Das hätten beide Parteien kommentarlos so hingenommen. Er habe den Eindruck gehabt, dass es der Antragsgegnerin nur darauf angekommen sei, den Antragsteller zu heiraten. Für den Antragsteller war andererseits entscheidend, dass der Ehevertrag überhaupt zustande gekommen ist. Ihm ging es im Fall einer Scheidung - auch vor dem Hintergrund seiner bereits gescheiterten Ehe - erkennbar um die Sicherung seiner selbständigen Existenz. Die Teilnichtigkeit der Vereinbarung über den Trennungsunterhalt berührt daher nicht die übrigen Regelungen des Ehevertrages.

OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2011, Az. II-5UF 51/10